Die amerikanischen Begleitjäger und ihre Reichweite
P-38 „Lightning“, P-47 „Thunderbolt“ und P-51 “Mustang”
Luftkampf im Wandel der Zeit: Die Herausforderungen der Messerschmitt Bf 109
Im Mai des Jahres 1942, als die Version G der Messerschmitt Bf 109 in Serie geht, ist die Grundkonstruktion des Jagdflugzeuges bereits über acht Jahre alt.
Wenn die Höhenleistungen der neueren Focke-Wulf 190 ab 6.000 Metern Höhe besser wären, als sie es sind – die Messerschmitt Bf 109 hätte zu Gunsten des viel einfacher und harmonischer zu fliegenden, geradezu genial in den Steuerungsorganen abgestimmten und erheblich besser bewaffneten Konkurrenzmodells das Ende ihrer Karriere erreicht. Doch oberhalb dieser Flughöhe benötigt man den schnittigen Entwurf Willy Messerschmitts immer noch – sogar zunehmend dringender, da sich die Bedrohung durch schwere amerikanische Bomber mehr und mehr abzeichnet. Und auch die Gefahr durch die amerikanischen Begleitjäger dieser fliegenden Ungetüme. Denn mit ihnen kann sich in diesen Flughöhen eine Focke-Wulf 190 nur mit Mühe messen. Unterhalb von 6.000 Metern durchaus.
Die Messerschmitt Bf 109 schlägt sich in diesen Himmelsregionen zwar erheblich besser als die Focke-Wulf 190 – doch die Forderung der Jagdverbände nach einer Leistungssteigerung, stärkeren Bewaffnung und höheren Flugdauer zur Abwehr der amerikanischen Eindringlinge werden immer lauter. Die neueren amerikanischen Jagdflugzeuge sind da oben in mancherlei Hinsicht schlicht und einfach besser! Gefährlich besser. Und deren Weiterentwicklung vergrößert den alliierten Vorsprung zunächst.
Mit Hochdruck wird daher in Deutschland an immer stärkeren, besseren Motoren gearbeitet, um zumindest die geforderte Geschwindigkeitssteigerung erzielen zu können. Auch eine gefährlichere Bewaffnung kann schließlich mit der endlich wieder weitgehend konkurrenzfähigen K-Serie der Me 109 (K-4) noch realisiert werden. Doch in der längst an ihre Entwicklungsgrenzen stoßenden, eigentlich konstruktiv allmählich veralteten Zelle der Messerschmitt Bf 109 lässt sich die gesteigerte Kraftentfaltung der moderneren Motoren nur noch teilweise gewinnbringend nutzen.
Ruf nach Innovation: Die Notwendigkeit eines neuen Jagdflugzeugs
Um diese Leistung voll zur Geltung bringen zu können, benötigt man ein komplett neues Jagdflugzeug. Und um dieses zu entwickeln, braucht man:
- technisches „Know How“ (Wissen).
- industrielle Kapazität, um sowohl den aktuellen Bedarf an Nachschub mit dem vorhandenen Modell decken zu können als auch gleichzeitig ein Nachfolgemodell serienreif zu bekommen.
- die klare politische Prioritätensetzung auf einen neuen Entwurf.
- und Zeit …
Deutschland hat die unbestreitbar hervorragenden konstruktiven Fähigkeiten seiner Flugzeugingenieure aufzubieten – an allem anderen mangelt es. Es würde mindestens ein Jahr dauern, den am 29. November 1942 im Erstflug abhebenden Entwurf des Nachfolgemodells der „109“, der Messerschmitt Me 309, soweit entwickelt zu haben, dass eine Massenproduktion denkbar wäre. Viel zu lange! Der alliierte Druck wird von Monat zu Monat stärker. Deutschland benötigt Jäger – und zwar jetzt!
Immerhin ist die Me 309 ein wunderschönes Jagdflugzeug mit einem breiten, nach innen schwenkenden Hauptfahrwerk in den Tragflächen, einem Bugrad und einer tropfenförmigen Cockpithaube auf dem Rumpf. Schließlich wird die Konstruktion zu Gunsten der Messerschmitt Me 262 aufgegeben.
Was ein moderner, strömungsoptimierter Jagdflugzeugentwurf aus einem leistungsstarken Motor herausholen kann, das wird exemplarisch im Jahre 1944 an der North American P-51 „Mustang“ deutlich.
Auch innerhalb der Entscheidungsträger gibt es hitzige Diskussionen! Der Leiter des technischen Amtes attestiert der Messerschmitt Bf 109, ihre Geschwindigkeit sei ja durchaus zufrieden stellend. Doch die Steigleistung müsse noch mehr verbessert werden, und die Reichweite sei unbefriedigend! Willy Messerschmitt platzt der Kragen. „Was wollen Sie,“ schreit er den Beamten an, „einen schnellen Jäger oder ein Scheunentor?“
Man könne entweder ein leichtes, agiles und schnelles Jagdflugzeug bauen oder ein behäbiges plumpes Monstrum als fliegendes Spritfass mit großer Reichweite – basta!
Der Leiter des technischen Amtes merkt sich diese harsche Zurechtweisung. Zwei Jahre später verhelfen ihm die „plumpen Monstren“ der amerikanischen 8. Luftflotte zur Genugtuung einer rhetorischen Revanche.
Es sind bullige, doch beachtlich schnelle amerikanische P-47 „Thunderbolts“, die tief im Feindesland Bodenziele im süddeutschen Augsburg angreifen. Dort liegt die Entwicklungs-Schmiede Willy Messerschmitts, welcher höchstpersönlich zusammen mit jenem leitenden Beamten in Deckung rennt. „Dort fliegen sie, Ihre ‚Scheunentore‘!“ erhält es der deutsche Konstrukteur sarkastisch zurück …
Lockheed P-38 „Lightning“
Die Entwicklung der Lockheed P-38 „Lightning“ geht zurück bis ins Jahr 1937. Die großen Entfernungen, welche die US-Luftwaffe zu überbrücken hatte – vor allem im Pazifik, einem Gebiet, welches die USA mit Stützpunkten von Hawaii über die Midway-Inseln bis zu den amerikanischen Basen auf den Philippinen zu kontrollieren hatten – führen zu der Forderung nach Entwicklung eines Langstrecken-Begleitjägers. Lockheed entscheidet sich für einen unkonventionellen Entwurf mit einem Doppelrumpf und zwei Motoren. Diese Konstruktion hat den Vorteil, dass das Flugzeug genügend Hohlräume für Treibstofftanks hat bei gleichzeitig dennoch niedrigem Luftwiderstand und somit geringem Verbrauch. Eine P-38 G-1-LO besitzt eine Reichweite von 1.368 Kilometern ohne Zusatztanks. Reine Abfangjäger wie die britische Spitfire oder die deutsche Me 109 haben eine kürzere Flugdauer, die Reichweite einer Spitfire beträgt 690 Kilometer. Da schneidet die P-47 „Thunderbolt“ schon besser ab. Mit zwei druckbelüfteten Zusatztanks aber wirkt sich der geringere Luftwiderstand einer P-38 im Vergleich zur P-47 aus. Mit Außentanks erreicht die P-38 G-1-LO „Lightning“ Ende 1943 eine Reichweite von je nach Flughöhe 1.207 bis 2.687 Kilometern. Das reicht theoretisch bis 1.343 Kilometer jeweils für Hin-und Rückflug. Realistisch sind es 940 Kilometer: von Englands Süden bis Berlin und zurück! Die umkonstruierte P-38 J-25-LO schafft schließlich mit 1.552 Liter interner Kapazität und zwei 1.138-Liter-Abwurftanks eine Reichweite von maximal 3.636 Kilometern, was theoretisch einer Eindringtiefe von 1.818 Kilometern, praktisch etwa 1.200 Kilometern entspricht. Im Frühsommer 1944 ist der Typ J die Regel.
Zweimotorige Jäger bewähren sich in der direkten Konfrontation mit einmotorigen Abfangjägern der Gegenseite zunächst nicht, da die einmotorigen Kontrahenten zwar meist nicht viel schneller, dafür aber agiler, flinker und wendiger sind. Dies stellt sich in den Anfangsjahren des Luftkrieges in Europa auf beiden Seiten heraus, Beispiele hierfür sind die Fehlleistungen und Verluste der deutschen Langstrecken-Jäger Messerschmitt Bf 110 und der britischen Hawker „Whirlwind“. Im Gegensatz zu diesen Fehlentwicklungen erweist sich die Lightning aber als ein durchaus gelungenes Jagdflugzeug. Sie ist so schnell wie die deutschen Jäger (zum Vergleich: Focke-Wulf Fw 190 A-8: 656 km/h / P-38 L Lightning: 666 km/h), jedoch auch erstaunlich wendig und im Steigflug absolut konkurrenzfähig. Viele der deutschen Piloten sind überrascht von der Fähigkeit der Lightnings, fast „auf dem Teller“ (auf der Stelle) zu wenden und urplötzlich in einen enorm steilen Flug nach oben wegzudrehen, bei welchem die beiden Allison-Motoren das amerikanische Flugzeug mit einer Geschwindigkeit beschleunigen, welche es den deutschen Jägern schwer macht, ihm zu folgen. Zudem sind die Lightnings mit einer 20-mm-Kanone und vier 12,7-mm-Browning-Maschinengewehren sehr schwer bewaffnet – eine Feuerkraft, welche dem Flugzeug bei den unter Tiefflugangriffen der Lightnings zu leiden habenden deutschen Landsern den respektvollen Beinamen „Gabelschwanzteufel“ einbringt.
Dennoch ergibt eine Umfrage bei kriegsgefangenen deutschen Jagdfliegern, welches alliierte Muster sie als Gegner am meisten fürchteten und welches am wenigsten, die P-38 als das am wenigsten gefürchtete gegnerische Jagdflugzeug. Den Leistungen und Abschusszahlen der Lightnings entspricht dieses Ergebnis nicht – und so mancher Lightning-Pilot lehrt seinem Gegner das Fürchten.
Nach einem kurzen Gastspiel der ersten Lightnings in England ab Juni/Juli 1942, welches vor allem die großen technischen Probleme offenbart, welche der Allison-Motor mit dem nasskalten britischen Regenwetter hat (und bis zum Schluss nicht ganz los wird), werden die P-38 „Lightnings“ nach Algerien geflogen, um die dortige Landung der Amerikaner (Operation Torch) zu unterstützen. Hier kommt es zu den ersten schweren Luftkämpfen mit den in Tunesien stationierten Me 109 und Focke-Wulf 190 des deutschen Afrikakorps – und zu den ersten bitteren Verlusten der noch unerfahrenen Amerikaner. Doch im Laufe des Krieges werden die erfahrenen amerikanischen Piloten immer zahlreicher – die erfahrenen Deutschen weniger und weniger. Ab Ende 1943 erscheinen die P-38 wieder in England – und von dort aus über Frankreich und Deutschland. Noch ist es den Lightnings aber trotz ihrer Reichweite nicht möglich, die schweren Bomber der Amerikaner bis tief nach Deutschland hinein effektiv zu begleiten. Die Maschinen leiden an technischen Ausfällen, es sind viel zu wenige einsatzfähig. So kommt es zu den verheerenden Verlusten der US-Luftwaffe über Schweinfurt am 17. August 1943. Als die letzten amerikanischen Begleitjäger abdrehen – vorwiegend P-47 C/D „Thunderbolts“ –, drehen die ersten deutschen Jäger ein. Der Spießrutenlauf der alleine weiterfliegenden Bomber beginnt.
Von 376 gestarteten viermotorigen B-17-Bombern wird die enorme Anzahl von 60 abgeschossen. Weitere vier werdenso schwer beschädigt, dass sie Totalverluste sind – bei „nur“ 38 abgeschossenen deutschen Jagdflugzeugen. Dies wiederholt sich am 14. Oktober 1943 – erneut über Schweinfurt. Von den 320 eingesetzten Bombern werden wieder 60 abgeschossen und 145 beschädigt – in sieben Fällen irreparabel – bei 34 deutschen (Total-) Verlusten. Eine anhaltende derartige Verlustrate ist für die Alliierten unerträglich. Die US-Luftwaffe muss ihre Einflüge tief in den deutschen Luftraum einstellen. Erst im November 1943 sind die P-38 der 20th FG und 55th FG voll einsatzbereit. Am 3. November 1943 begleiteten P-38 „Lightnings“ der 55th FG erstmals einen Bomberverband bis zum Ziel und zurück – nach Wilhelmshaven. Das liegt freilich nicht allzu tief im deutschen Hinterland! Die erste Begleitschutzmission mit P-51 B (354th FG) findet am 5. Dezember 1943 statt. Am 13. Dezember 1943 kommt es zum ersten Zusammenstoß mit zweimotorigen deutschen Jagdflugzeugen des betagten Typs Messerschmitt Bf 110.
Die Situation ändert sich erst nachhaltig Anfang 1944, als nun mit technisch verbesserten Zusatztanks ausgerüstete Begleitjäger des Typs P-38 J „Lightning“ und die neuen P-51 B (ab Juni 1944 Typ D) „Mustang“ tatsächlich bis nach Berlin mitfliegen können. Auch die P-47 D „Thunderbolt“ bietet mit drei Zusatztanks inzwischen eine enorme Eindringtiefe.
Die Bedeutung der P-38 sinkt zwar mit dem vermehrten Auftauchen der Mustangs im Frühjahr 1944. Dennoch bleiben die Lightnings bis zum Kriegsende im Einsatz und operieren von England und Frankreich wie auch von Italien aus über Deutschland und Österreich, oft in der Rolle von Jagdbombern, doch auch als Eskorte für Bomber.
Während die deutschen Jägerpiloten mehr Gegner haben, als ihnen lieb ist, und teilweise Hunderte von Abschüssen erzielen – vorausgesetzt, dass sie lange genug leben – erhalten die Amerikaner den Status eines Jäger-Asses bereits nach fünf bestätigten Abschüssen zugestanden.
Jagdflugzeuge und Jagdbomber
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