Mosquito, die tödliche Stechmücke aus Holz

Die Vision des Schnellbombers ohne Abwehrbewaffnung

Die Idee des Entwicklungsteams aus dem Hause de Havilland, einen Schnellbomber zu konstruieren, welcher ohne Abwehrbewaffnung auskommen sollte, war zunächst von den offiziellen britischen Stel­len nicht ernst genommen worden. Wie sollte es denn möglich sein, ein Flugzeug mit einer solchen Fluggeschwin­digkeit zu bauen, dass es einem Jäger davonfliegen könnte, wenn es durch das zusätzliche Gewicht der Bombenlast jedem Jä­ger bereits konzeptionell zwangsläufig deutlich unterlegen sein würde? Es müsste dann viel leistungsstärkere Motoren haben als der Jäger – doch das ist illusorisch, denn in die Jagdflugzeuge beider Seiten werden prinzipiell die jeweils besten und stärksten verfügbaren Motoren eingebaut – im technischen Wettlauf um Jagdmaschinen, die den Kontrahenten der Gegenseite überlegen sind. Aber nur dann, wenn der Bomber schneller ist als sein Angreifer, ist eine Abwehrbe­waffnung des Bomben tragenden Flugzeuges entbehrlich!

Der “Rückschritt” zu Holz: Die Mosquito hebt ab

b.mosquito ne d von links
(143 Squadron). Mosquito FB Mk. VI, Verlust am 15. Januar 1945, Aufschlag bei Fjell südwestlich von Bergen.

Die Antwort scheint ein Rückschritt zu sein in die Bautechnik der alten Doppeldecker des Ersten Welt­krieges. Der „Rückschritt“ ist die Verwendung eines leichten, doch robusten Materiales: Holz!

Der Erstflug der bis auf die Umgebung der Motoren und einige Steuerflächen vollkommen auf Holz­rahmen aufgebauten Mosquito hatte bereits am 25. November 1940 stattgefunden. Niemand außer­halb des Entwicklungsteams hatte es für möglich gehalten, dass ein zweimotoriges Flugzeug mit im­mer noch dem doppelten Gewicht einer einmotorigen Spitfire etwa 30 km/h schneller sein sollte als diese. Doch die Mosquito kann mit jedem Jäger mehr als mithalten. Denn das Verhältnis zwischen der Schubkraft zweier Rolls-Royce-Merlin-Motoren und dem strömungsgünstigen Leichtgewicht-Rumpf aus Holz ist einfach unschlagbar.

Auch die Deutschen hatten mit der Junkers Ju 88 S das Konzept eines Schnellbombers verfolgt – wenn auch in Metallbauweise. Dieser an sich viel versprechende Entwurf war jedoch durch den vom Reichsluftfahrtministerium erzwungenen Einbau von zusätzlichen MG-Abwehrständen und daher auch eines zusätzli­chen vierten Besatzungsmitgliedes sowie der Forderung nach Sturzflugeigenschaften zu­nichte gemacht worden – wenn auch ein äußerst er­folgreicher vielseitiger deutscher Bomber das Resultat bleibt. Diesen Kompromiss muss de Havilland nach der überzeugenden Erstflugvorführung nicht eingehen. Denn dieser Erstflug überzeugt auch die Skeptiker unter den britischen Planern. 

Scheitern der deutschen Antwort: Ta 154 „Moskito”

focke wulf ta 154 moskito am boden
Focke-Wulf Ta 154 Moskito”

Ein der britischen Mosquito ähnlicher und als Antwort der Luftwaffe gedachter deutscher Entwurf, die ebenfalls überwiegend aus Holz gebaute Ta 154 – sinnigerweise „Moskito“ genannt – scheitert. Denn ein britischer Luftangriff zerstört das Herstellerwerk des Tego-Filmklebers in Wuppertal, mit welchem der Holzrahmen zusammengehalten wird. Danach greift man auf Kaltleim zurück – mit kata­strophalen Folgen. Das zweite Vorserienmodell der Ta 154 A-1 stürzt im Juni 1944 ab, als sich eine Tragfläche in der Luft geradezu auflöst. Die Produktion wird am 14. August 1944 eingestellt.

Vor allem die nicht durch Bombenlast beschwerten, nur eine Kamera-Ausrüstung tragenden britischen Mosquito-Aufklärer fliegen nun seit Mitte 1943 derartig frech und unbehelligt im deutschen Luftraum herum, dass die Piloten in den deutschen Jägern Minderwertigkeitsgefühle bekommen, wenn sie in größeren Höhen einen solchen besonders schnellen Aufklärer abzufangen versuchen. Der britische Pilot wird – sofern er die Gefahr bemerkt – einfach auf Vollgas gehen. Der Punkt am Horizont wird für den frustrierten deutschen Piloten langsam immer klei­ner werden. In mittleren oder tiefen Höhen sieht das allerdings etwas anders aus, erst recht gegen die immer noch schnellen, aber geschwindigkeitsmäßig einem Jäger nicht überlegenen Tiefan­griffs- bzw. Bomber-Varianten. Doch 1943 können die deutschen Jägerpiloten noch nicht wissen, dass auch für die Besatzungen der hochfliegenden Aufklärungs-Mos­quitos die Tage des Hochmutes ge­zählt sein werden. Die deutschen Messerschmitt Me 262-Düsenjets – Deutschlands letzter Trumpf am Himmel – werden ab Ende 1944 kurzen Prozess mit ihnen machen – ein militärisch kaum noch effek­tiver, doch psychologisch für die verbliebenen und verbissen kämpfenden deutschen Piloten un­schätzbar wirkungs­voller Triumph der deutschen Luftwaffe über die Royal Air Force. Die Abschussmeldung eines Mosquito-Aufklärers löst Genugtuung aus!

dehavilland mosquito b bomber version in farbe 2
de Havilland „Mosquito“ B Mk IV – Bomber-Version
dehavilland mosquito fb seitlich in farbe 2
de Havilland „Mosquito” FB – Jagdbomber-Version
dehavilland mosquito fb seitlich vorne
tabelle 1 de havilland nf mk.xxx
tabelle 2 junkers ju 88 g6 c
tabelle 3 heinkel he 219 a7

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