Wie gut war die Messerschmitt Bf 109?

Die Kontroverse um die Messerschmitt Bf 109

In vielen Veröffentlichungen, auch You-Tube-Beiträgen, wird immer wieder betont, dass die Messerschmitt Bf 109 ab dem Jahr 1943 ihren Gegnern technisch unterlegen gewesen sei und eigentlich hätte ausgemustert werden sollen zugunsten der angeblich wesentlich besseren Focke-Wulf 190 (A-Serie).

Herausragende Eigenschaften der Focke-Wulf 190

Ohne Zweifel war die Focke-Wulf 190 ein hervorragendes und konstruktiv hochmodernes Jagdflugzeug. Sie war zudem erheblich leichter zu fliegen als die „Me 109“ und vor allem durch das breitere Fahrwerk leichter zu starten und zu landen. Flugunfälle bei Start und Landung gehörten durch das enge Fahrwerk bei der Messerschmitt Bf 109 (übrigens ähnlich der Spitfire) in den Händen von unerfahrenen Flugschülern zu gefährlichem Alltag. Der Autor kennt Beispiele mit tödlichem Ausgang im eigenen familiären Umfeld. Ein weiterer Vorzug der Focke-Wulf 190 war die auf dem Rumpf aufgesetzte Cockpit-Haube mit einer perfekten Rundumsicht, ein Merkmal, das die Messerschmitt-Piloten bis Kriegsende nie in dieser Form genießen konnten, wenn auch durch die strebenarme so genannte „Galland-Haube“ die Sicht aus der Kanzel einer Messerschmitt Bf 109 der späteren Baureihen ganz erheblich besser war als in früheren Modellen dieses Jagdflugzeuges.

Limitationen der Focke-Wulf 190 in höheren Höhen

Dennoch hatte die Focke-Wulf 190 (A-Serie) in Höhen ab 6.000 Metern schwerwiegende Nachteile. Hier ließ ihre Motorleistung stark nach – im Gegensatz zur Messerschmitt Bf 109, auf die man daher im Luftkampf gegen die amerikanischen Begleitjäger nicht verzichten konnte. Diese Luftkämpfe wurden oft genau in diesen Höhen (6.000 bis 8.000 Meter Höhe) ausgefochten. Hier sollten die Messerschmitt-Staffeln ihre Kameraden in den Focke-Wulf-Jägern, die sich auf die Bomber konzentrieren sollten, vor der amerikanischen Jagd-Eskorte schützen – eine Aufgabe, die selten genug erfolgreich gelöst werden konnte.

War die Messerschmitt Bf 109 bei Kriegsende den alliierten Jagdflugzeugtypen noch gewachsen?

Ab Sommer 1943 wurde die Messerschmitt Bf 109 in der G-6-Serie mit Zusatzwaffen als Bomber-Zerstörer derartig überfrachtet, dass Sie mit Gondelkanonen unter den Tragflächen den alliierten Konkurrenzmodellen deutlich unterlegen war. Jedoch auch ohne diese (ausbaubaren) Zusatzwaffen war der Geschwindigkeitsvorteil vieler alliierter Vergleichsmuster erheblich und gefährlich, oftmals noch zusätzlich verstärkt durch eine höhere Wendigkeit und Agilität. Aus der Betrachtung dieser Phase, die bis Mitte 1944 anhielt, stammen die Urteile über die technische Unterlegenheit der Messerschmitt Bf 109. Und für diese Periode bestehen sie zu Recht.

Was jedoch fast generell nicht bedacht wird, ist die Tatsache, dass die Messerschmitt-Ingenieure hervorragende Arbeit leisteten, um Ihr Produkt wieder konkurrenzfähig zu machen. Ab der Version G-10 im Herbst des Jahres 1944, vor allem aber mit der Version K-4 Anfang 1945 war der Kraftakt gelungen. In der Hand eines erfahrenen Jagdfliegers, der mit den Vorzügen der Konstruktion umzugehen wusste und ihre Schwächen vermied, war dieses Jagdflugzeug jedem alliierten Gegner wieder gewachsen. Dies gilt sowohl für die Supermarine „Spitfire“ (zumindest des Typs Mark IX) als auch für die P-51 D „Mustang“ oder die sowjetischen Yak-3 bzw. La-7.

Die Steigleistung der Messerschmitt Bf 109 K-4 war phänomenal und jedem gegnerischen Modell spürbar überlegen. Auf einen Kurvenkampf sollte man sich als Pilot einer „Kurfürst“ allerdings nicht einlassen, nicht gegenüber einer Spitfire und schon gar nicht im Duell mit einer Yak-3 oder La-7. Den sowjetischen Konstruktionen war die deutsche Maschine ab 6.000 Metern Höhe so deutlich überlegen, dass die sowjetischen Piloten Luftkämpfe in dieser Höhenlage strikt vermieden – darunter allerdings wendete sich das Blatt und die deutschen Jagdflieger gingen möglichst einem Kurvenduell mit ihren russischen Kontrahenten aus dem Weg. Man musste die Fähigkeiten der Messerschmitt Bf 109 K-4 kennen und gezielt einsetzen, soweit es die Umstände erlaubten. Dann allerdings war die „Me 109“ nach wie vor ein gefährlicher Gegner.

In anderen Umständen?

Tja – wie steht es da? „Sofern es die Umstände erlaubten“. Genau das war in Anbetracht der überwältigenden zahlenmäßigen Überlegenheit der Alliierten immer seltener gegeben. „Man musste die Fähigkeiten der Messerschmitt Bf 109 K-4 kennen und gezielt einsetzen“. Ja, sofern man die Messerschmitt Bf 109 K-4 fliegen konnte. Diese Maschine war inzwischen derartig hochgezüchtet, dass ein virtuoser Umgang mit ihr einiges fliegerisches Können erforderte. Wie viele deutsche Jagdflieger waren Anfang des Jahres 1945 übrig und am Leben, die dieses Können noch hatten?

Diejenigen, die es hatten, flogen oftmals „ihre“ vertraute Messerschmitt weiter und bevorzugten sie bis zum Schluss, obwohl Focke-Wulf mit der Version D-9 ein inzwischen alles in allem leistungsfähigeres Jagdflugzeug in Serie produzierte.

Daher darf man – wie es allerdings leider allzu oft geschieht – die Kampfstärke und Konkurrenzfähigkeit der letzten Modelle der Messerschmitt Bf 109 – der G-10 und K-4 – nicht unterschätzen, nur deswegen, weil es immer weniger deutsche Piloten gab, die mit diesem rassigen Jagdflugzeug noch kompetent genug umgehen konnten. Dies wird dem Entwurf und der Entwicklungsarbeit der Messerschmitt-Ingenieure nicht gerecht.

Zitiert aus „Messerschmitt Bf 109 in action, Part 2“, Seite 52, squadron/signal publications:

„The K-4 was armed with [two 13 mm cowl guns and] the deadly 30 mm cannon firing through the spinner. This weapon had been used sporadically throughout the G series as supplies permitted. It was a remarkable weapon in that two or three hits were usually sufficient to ensure a kill even on a heavy bomber. […].

The K-4 was the apogee of development for the Bf 109. It was a remarkable testimony to the original design and to the tenacity of Messerschmitt’s continuing development engineers, that the aircraft was still reasonably competitive as the war ended. The Luftwaffe had been defeated by a lack of fuel, inept pilot training and overwhelming numbers of enemies.

From the beginning to the end, the Messerschmitt Bf 109 was ever willing and able. A truly remarkable machine.“

„Die K-4 war mit [zwei 13-mm-MGs in der Motorhaube und] der tödlichen 30-mm-MK-108-Kanone bewaffnet, welche durch die Luftschraube feuerte. Diese Waffe war sporadisch bereits in der G-Serie verwendet worden je nach Verfügbarkeit. Es war eine bemerkenswerte Waffe, aus welcher zwei bis drei Treffer normalerweise genügten, sogar einen viermotorigen Bomber zum Absturz zu bringen […].

Die K-4 war der Höhepunkt der Entwicklung der Bf 109. Es ist eine bemerkenswerte Referenz an den ursprünglichen Entwurf und die Beharrlichkeit bei der Weiterentwicklung durch Messerschmitts Flugzeug-Ingenieure, dass dieses Flugzeug seinen Gegnern immer noch ziemlich ebenbürtig war, als der Krieg endete. Die Luftwaffe wurde besiegt durch Treibstoffmangel, unzureichende Ausbildung der Piloten und eine überwältigende Übermacht an Feinden.

Vom Anfang bis zum Ende war die Messerschmitt Bf 109 ein williges und fähiges Arbeitspferd der Luftwaffe. Ein wahrlich herausragendes Flugzeug.“

Dr. Manuel Wolf Seite 763: Luftkrieg über Europa 1939–1945, Die Angst im Nacken

Hinweis: Gemäß Captain Eric Brown, britischer Testpilot, habe die P-51 B „Mustang“ „keine Schwierigkeiten, die Messerschmitt [Bf 109 G-6] auszukurven.“. Walter Eichhorn kommt zu einem exakt gegenteiligen Ergebnis, nach seiner Flugerfahrung sei die Messer­schmitt Bf 109 G-6 „eindeutig wendiger“ als die P-51 D, die der P-51 B sehr ähnlich ist. Beide höchst anerkannten Experten flogen die genannten Flugzeuge persönlich und intensiv. Somit hatten/haben sie beide eine sehr qualifizierte Beurteilungsmöglichkeit aus erster Hand. Die technischen Daten (siehe oben, aber auch aviatia.net) legen nahe, dass Eichhorn Recht hat und die „109“ [G– und K-Serie] absolut in der Lage ist, eine Mustang auszukurven. Allerdings mag dieses Manöver ein fliegerisches Können erfordern, das zu entwickeln die meisten deutschen Nachwuchspiloten bei Kriegsende niemals mehr eine Chance hatten. Der Kurvenradius einer Hawker „Tempest“ Mk. V ist mit jenem einer Mustang vergleichbar, während die Supermarine „Spitfire“ (Mk. IX, Mk. XIV) oder La-7, Focke-Wulf Fw 190 D-9 und besonders Ta-152 H-1 in dieser Hinsicht überragend sind.

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