Deutsche Kampfflugzeuge (Bomber) der Zweiten Kriegshälfte im Zweiten Weltkrieg
Verbesserte und neue deutsche Bomber
Vergleicht man die bestehenden, immer noch in der Hauptsache eingesetzten deutschen Mittelstreckenbomber mit den wesentlich moderneren amerikanischen Modellen Martin B-26 „Marauder“ und North American B-25 „Mitchell“, so ergibt sich – beschränkt auf die Kerndaten – folgender Vergleich:
Defizite in der Abwehrbewaffnung der deutschen Bomber
Im Bereich der Agilität kann die Ju 88 noch mithalten, während die He 111 schlicht veraltet ist. Das Fehlen von adäquaten, zeitgemäßen Abwehrwaffen in den deutschen Bombern ist nicht zu übersehen. Vor allem ist eine alleine auf von Hand zu bedienende, schwenkbare Maschinengewehre basierende Abwehrbewaffnung nicht mehr konkurrenzfähig. Die gegnerischen Bordschützen haben es mit kraftunterstützten Drehtürmen erheblich leichter, welche den Luftwiderstand als Gegenkraft neutralisieren. Der Schütze kann sich so ohne körperliche Anstrengung auf den Zielvorgang konzentrieren.
Der erste deutsche Bomber, welcher diese Neuerung einführt, ist das Nachfolgemodell der Dornier Do 17. Diese Maschine wird bereits im Jahr 1941 durch die Do 217 E-1 ersetzt, ab der Version E-2 erhält dieses exzellente Kampfflugzeug einen elektromechanisch betriebenen Maschinengewehrturm am hinteren Ende der Kanzel. Nach wie vor ist die Besatzung in einer einzigen Kanzel konzentriert. Mit Ausnahme der He 111 kennzeichnet dieses Konstruktionsmerkmal alle deutschen Mittelstreckenbomber. Ab der Version K-2 erhält die Do 217 einen voll verglasten Bug – welcher nichts verbessert.
Einsatzgebiete der Dornier Do 217
Die Dornier Do 217 bewähren sich sehr gut und werden bereits ab Frühjahr 1941 in der Version E bei der II. Gruppe des Kampfgeschwaders 40 gegen Schiffe eingesetzt. Auch das Kampfgeschwader 2 fliegt die Do 217 gegen britische Ziele. Da die Sturzflugeigenschaften dieses kampfstarken Bombers allerdings nicht völlig befriedigen – als einziges technisches Merkmal, welches nicht den Anforderungen entspricht – kann sich das Reichsluftfahrtministerium nicht wirklich mit diesem Bomber anfreunden. Die fixe Idee, jeder deutsche Bomber müsse auch als „Stuka“ einsetzbar sein, wird noch zu grotesken „Blüten“ führen!
Aufrüstung der Heinkel He 111: Einführung des Drehturms
Auch die betagte Heinkel He 111 wird mit einem Drehturm aufgerüstet. Ab der Version H-16/R1, endgültig ab dem Typ He 111 H-20 (ab dem Jahr 1944) wird die Abwehrkraft dieses immer noch elegant stromlinienförmigen, doch in seinen Leistungen deutlich abgeschlagenen Bombers spürbar erhöht. Die He 111 wird bis zum Kriegsende geflogen und bewährt sich an der Ostfront immer noch, obwohl die neueren Dornier- oder Junkers-Modelle auch der He 111 H-20 erheblich überlegen sind.
Ju 188 vs. Ju 88: Verbesserungen in Geschwindigkeit und Steigfähigkeit
Die eleganteste Verbesserung betrifft jedoch den vielseitigen deutschen Allzweckbomber Junkers Ju 88. Dieses „Arbeitspferd“ der deutschen Luftwaffe wird zur Junkers Ju 188 weiterentwickelt. Die Ju 188 behält alle guten Eigenschaften des Vorgängermodells Ju 88, ist jedoch schneller und erheblich steigfähiger. Zudem ist die Ju 188 besser bewaffnet. Ein guter Pilot kann mit Glück einem Jäger entkommen. Das mag auch für die anderen Bomber gelten, die Chancen in der Ju 188 sind aber besser.
Zunächst wird auch für die Ju 188 eine Sturzflugtauglichkeit gefordert und konstruktiv berücksichtigt. Als die ersten Maschinen des Typs Ju 188 A-1 und E-1 im Mai 1943 dann aber schließlich ausgeliefert werden, machen die neuen Lenkbomben alsbald die Sturzflugtauglichkeit unnötig. Bereits ab der Version A-2 verzichtet man daher auf Sturzflugbremsen und die dazugehörige Ausrüstung.
Die A-Serie und die E-Serie unterscheiden sich durch den Motor – um Lieferengpässen vorzubeugen, sollte die Maschine ohne großen Umrüstaufwand sowohl mit dem Jumo 213 A-1 (A-Serie) als auch mit dem BMW 801 D-2 oder G-2 (E-Serie) auszurüsten sein. Beide liefern etwa 1.750 bzw. 1.730 PS. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Waffe im elektromechanisch betriebenen Kanzelrückenturm. Die A-Serie verwendet für den Feuerstand meistens die 20-mm-Bordkanone des Typs MG 151, während die E-Serie üblicherweise an dieser Stelle mit einem 13-mm-MG 131 ausgerüstet ist. Beides sind hervorragende Waffen.
Junkers 188: der beste mittlere Bomber der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg
Im Verlaufe des Krieges können nur noch 1.076 Exemplare hergestellt werden – verglichen mit etwa 15.000 Ju 88. Die Ju 188 darf wohl als der beste mittlere Bomber der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg angesehen werden. Sie hat bei den Besatzungen von Anfang an einen hervorragenden Ruf.
Heinkel He 177: ein Flugzeug mit kontroverser Reputation
Die vielleicht schillerndste Einsatzgeschichte aller Kampfflugzeuge (Bomber) der deutschen Luftwaffe ist mit einer bösen Reputation verbunden. Es ist der Ruf eines Flugzeuges, welches angeblich für seine Besatzung gefährlicher sei als für den Feind.
Am Anfang der Laufbahn dieses technisch höchst anspruchsvollen schweren Bombers trifft dieses Stigma in gewissem Maße zu. Dass die technischen Probleme irgendwann weitgehend ein Ende haben, ist eine andere Sache. Die Besatzungen haben – aus ganz anderen Gründen – kaum mehr Gelegenheit, den schlechten Ruf ihrer Maschine durch erfolgreiche Einsätze Lügen zu strafen.
Dieser schlechte Ruf kommt durch die Kombination zweier unglücklicher Umstände zustande. Der eine ist schlicht unnötig, der andere behebbar – im Laufe der Zeit, die Deutschland nicht hat.
Von Prioritäten und Ressourcen: Die Hürden der Bomberproduktion
Als das Deutsche Reich seine Bomberflotten aufzurüsten beginnt, wird Hermann Göring im Jahr 1936 von seinen Planern plausibel der Bedarf an schweren strategischen Bombern erklärt und deren Produktion dringend gefordert. Es ist bereits in einem früheren Kapitel auf seine Antwort hingewiesen worden. Der Führer frage ihn nach der Zahl der produzierten Bomber, nicht nach deren Größe!
Die Produktion viermotoriger schwerer Bomber in Deutschland scheitert also am Opportunismus des zuständigen Oberbefehlshabers der Luftwaffe, dem damaligen Generaloberst Hermann Göring, der es nicht wagt, berechtigte Interessen der Luftwaffe beim „Führer“ vorzutragen. Dies ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich muss Deutschland mit den Rohstoffen und seinen industriellen Kapazitäten ganz anders haushalten als England (mit amerikanischer Unterstützung), die USA oder auch die UdSSR. Vor allem Großbritannien und die USA als Inselstaaten haben es daher sowohl von ihrer interkontinentalen Weltsicht her als auch in Anbetracht ihrer Ressourcen leichter, andere Prioritäten zu setzen. Wer will im Jahr 1936 ahnen, wie verheerend für die deutschen Städte sich dies auswirken wird?
Anforderungen an den strategischen deutschen Bomber
Als man es zu erahnen beginnt, werden die Weichen für einen strategischen deutschen Bomber schließlich doch noch gestellt. Er soll viermotorig sein, schnell, eine hohe Reichweite haben, eine schwere Bombenlast tragen können und bis zu mittleren Neigungswinkeln, die man später auf 60° erhöht, sturzflugtauglich sein. Die „eierlegende Wollmichsau“ eben. Wenn es weiter nichts ist?
Anfang 1939 ist der erste Prototyp der Heinkel He 177 „Greif“ fertig. Ein wahrlich revolutionäres Flugzeug! Um Luftwiderstand zu sparen und die Manövrierfähigkeit für die geforderte Sturzflugtauglichkeit zu erzielen, werden die vier Motoren in zwei Motorengondeln konzentriert. Je zwei Motoren – nebeneinander montiert – treiben also eine Propellerwelle an. Entsprechend riesig fallen die Vierblattrotoren aus. Die optische Präsenz zweier Propeller treibt das scheinbar zweimotorige Flugzeug somit tatsächlich mit der Kraft eines viermotorigen Bombers an – aber gegen den geringeren Luftwiderstand von nur zwei Motorgondeln. Zudem drehen sich beide Wellen gegenläufig – der linke Doppelmotor in Flugrichtung gegen den Uhrzeigersinn, der rechte im Uhrzeigerkreis. Auch ein Novum …
Man tut viel für die Aerodynamik. Dampfkondensatoren reduzieren den Luftwiderstand durch die andernfalls nötigen und üblichen Lufteinlässe zur Kühlung, ein voll verglaster runder Bug macht ein auf den Rumpf aufgepfropftes Cockpit wie im Falle der Boeing B-17 entbehrlich, ferngesteuerte unbemannte Geschütztürme können wesentlich flacher gehalten werden als Drehtürme, in welchen die Schultern und der Kopf eines Schützen passen müssen.
Optimierungen und Herausforderungen im Detail
Doch der Teufel liegt im Detail – und bei den realitätsfremd völlig überzogenen Forderungen des Reichsluftfahrtministeriums. Um ein derartig großes Flugzeug „sturzflugtauglich“ zu machen (welchen Sinn hat dies bei einem strategischen Bomber?), muss der Rahmen und der Tragflächenansatz verstärkt werden. Dies erhöht das Gewicht – und bringt den Bomber um den konstruktiv so clever erworbenen Geschwindigkeitsvorteil. Außerdem funktioniert es dennoch nicht. Weil es konstruktiv nicht gehen kann! Eine Spannweite wie die der He 177 dem echten Sturzflug und vor allem dem Abfangen auszusetzen ist wie die Forderung nach einem Fallschirmeinsatz mit dem Regenschirm. Es gibt bei aller Genialität von Konstrukteuren Gesetze der Physik, die nicht von oben herab wegzufordern sind.
Hinzu kommen schlicht konstruktive Fehler. Manche grenzen – man muss es sagen – an Dilettantismus. Der gesamte Kühlkreislauf ist unzuverlässig, die Ölleitungen lecken. Der Ärger ist programmiert.
Die unrühmliche Karriere der ersten Serienexemplare
Was folgt, ist die unrühmliche Karriere der ersten Serienexemplare als fliegende „Luftwaffenfeuerzeuge“. Motorenbrände kommen derartig häufig vor, dass der Gegner sich gar nicht erst die Mühe machen muss, den deutschen Super-Bomber abzuschießen. Und die gegenläufigen Motoren erzeugen unbeherrschbare seitliche Ausbrüche beim Start, wenn sie nicht sauber synchron laufen.
Ab Oktober 1942 kommen die ersten Verbesserungen zum Tragen – in der Version He 177 A-3. Ab Februar 1943 wiederum steht der neue Daimler-Benz-DB-610-Motor zur Verfügung. Und die Techniker haben schließlich ihre Hausaufgaben gemacht, die Brände analysiert und die Fehler behoben.
Erfüllung des ursprünglichen Versprechens
Die He 177 A-5 hält jetzt endlich, was der Entwurf von Anfang an versprach. Doch wie es eben so ist mit einem schlechten Ruf. Der psychologische Schaden ist im Gegensatz zur Technik irreparabel.
565 He 177 A-5 werden schließlich noch produziert. Manche werden zu nächtlichen Angriffen über England eingesetzt. Die Piloten machen aus der eingeschränkten „Sturzflugtauglichkeit“ eine Tugend – mehr als 40° sind allerdings riskant. Doch aus einer Höhe von 9.000 Metern in einen solchen Bahnneigungsflug gegangen, bringt die Maschine auf Geschwindigkeiten von 700 km/h! Zu schnell für manchen britischen Nachtjäger! Die Verluste durch „Feindeinwirkung“ sind erfreulich gering!
Die übliche Höchstgeschwindigkeit im Horizontalflug mit Bombenlast in 6.100 Meter Höhe beträgt allerdings „nur“ 488 km/h. Dies entspricht der Geschwindigkeit einer B-17 G (486 km/h) oder B-24 J (483 km/h), die beide ihre vier Motoren herkömmlich auf vier Motorgondeln verteilen, Luftwiderstand hin oder her.
Enthusiasmus trotz problematischer Geschichte
Andererseits steht diesen Geschwindigkeitsangaben ein Statement deutscher Besatzungen gegenüber, welches erkennen lässt, dass man dem einzigen deutschen strategischen Fernbomber offenbar doch etwas Unrecht tut. Aus einer englischen Quelle übersetzt:
„Obwohl die He 177 eine problembeladene Entwicklungsgeschichte hatte und schlechte Noten von den Historikern erhalten hat, wurde sie von kriegsgefangenen Besatzungen dieser Maschinen hoch gelobt. Die Leistungen in großen Höhen waren gut, mit Geschwindigkeiten von 600 bis 650 km/h ,mit Leichtigkeit erreichbar.´ Die He 177 A-3 wurde als besser manövrierfähig eingestuft als jeder andere deutsche Bomber.
Beide Besatzungen sind höchst enthusiastisch in Bezug auf die Motoren, die sauber und effizient laufen über unglaublich lange Flugstrecken hinweg. Das Abdrosseln (um Treibstoff zu sparen) und Hochfahren der Motoren findet nun ohne irgendein Risiko statt, dass die Maschinen Feuer fangen, eine Tendenz, die ehemals weit verbreitet war, als die Motoren erstmals in Benutzung standen …“
Nachtangriffe: Die Methode der He 177-Besatzungen
Trotz der schweren Abwehrbewaffnung sind Einsätze bei Tage ohne eigenen Jagdschutz für die He 177 nicht weniger gefährlich als für die amerikanischen „Fliegenden Festungen“. Für Angriffe auf Schiffsziele entwickeln die Besatzungen daher eine Methode, relativ ungefährdet bei Nacht anzugreifen. Allerdings wird auch dies mit zunehmender Nachtjägertätigkeit des Gegners immer riskanter.
Einer der Bomber oder mehrere (bei größeren Angriffen) werfen auf der einen Seite der gegnerischen Flotte oder des Konvois Leuchtbomben an Fallschirmen ab. Diese schweben nun langsam zu Boden und tauchen die Schiffe in ein fahles Licht, in welchem die Silhouetten gut erkennbar sind. Unwillkürlich richten feindliche Jäger und Flugabwehrkanoniere ihre Aufmerksamkeit in Richtung auf die Lichter. Bis die andere Gruppe der He 177 aus sicherer Entfernung (10-12 Kilometer) von der gegenüberliegenden Seite ihre Gleitbomben abgeworfen hat.
Gründe für den ausbleibenden Erfolg der deutschen Fernbomber
Warum bleibt den deutschen Fernbombern ein ähnlicher Erfolg versagt, wie ihn die alliierten Pulks erzielen? Die Antwort ist einfach und liegt weder an der Technik noch an taktischen Fehlern.
• Mangelnde industrielle Kapazität und Rohstoff-Ressourcen haben den Aufbau einer derartig riesigen strategischen Bomberflotte, wie sie die Amerikaner und auch die Briten zum Einsatz bringen, niemals ermöglicht.
• Selbst wenn eine erheblich höhere Anzahl He 177 früher verfügbar gewesen wäre, hätte es bei Tage an den Möglichkeiten gefehlt, einen ausreichenden Jagdschutz bereitzustellen.
• Und vor allem: Nur etwa 400 dieser Bomber hätten bereits ein Achtel der monatlichen Treibstoffproduktion an Flugbenzin des Jahres 1943 konsumiert. Ab dem Jahr 1944 wird die Treibstoffknappheit immer bedrohlicher …
… was schließlich dazu führt, dass die deutschen Fernbomber ab Mitte 1944 überwiegend am Boden bleiben. Man hat einfach nicht genug Sprit für sie übrig. Den Rest besorgen die alliierten Jagdbomber.
Große Bomber wie die He 177 sind nicht einfach unter Bäumen zu verstecken. Man betrachte hierzu das Foto oben, welches die Wirkung eines amerikanischen Tieffliegerangriffes auf den Flugplatz Schwäbisch Hall augenfällig offenbart.
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